Web und UX-Design
No-Code – Die Macht eines visuellen Interface

No-Code – Die Macht eines visuellen Interface

Anne-Sophie Skarabis
3/11/2020
Web und UX-Design

Seit Beginn der Softwareära war die Nachfrage nach EntwicklerInnen mit umfassendem Skillset stets hoch. Die No-Code-Bewegung versucht, sich diesem Phänomen entgegenzusetzen und die Entwicklung allen zu ermöglichen. Über eine Bewegung, die noch in den Kinderschuhen steckt.

Die Innovationen, die das Informationszeitalter vorantrieben und eine Basis für unsere heutige vernetzte Welt legten, wurden weitgehend von einer Gemeinschaft von Software-IngenieurInnen, WebentwicklerInnen und Hardware-HackerInnen geschaffen. Die wertvollsten Unternehmen bewegen sich im Technologiesektor und bekannte Gründungszentren wie Y Combinator beschränkten sich lange Zeit nur auf Gründungsteams im technischen Bereich. Immer mehr Schulen nehmen Informatik in den Lehrplan auf und Bootcamps, die einem das Programmieren beibringen wollen, schiessen wie Pilze aus dem Boden. Eine Welt ohne das Programmieren scheint unvorstellbar, oder?

Vielleicht doch nicht ganz. So begann in den letzten Jahren der Aufstieg der No-Code-Bewegung. Eine Bewegung, die im Kern versucht, das textbasierte Interface, das die Programmierung für gewöhnlich mit sich bringt, in ein grafisches Interface zu verwandeln. All dies mit dem Ziel, den Zeitaufwand und die Programmierexpertise, die bisher erforderlich waren, um eine Idee in eine Programmiersprache zu übersetzen, zu reduzieren und die Programmentwicklung für alle zugänglich zu machen.

Ein textbasiertes Interface und ein grafisches Interface. Beide stellen die gleiche Website dar. 

Apple als Wegweiserin

Für manche mag dies komisch, vielleicht etwas unrealistisch klingen, doch muss man nur einige Jahre in der Geschichte zurückgehen, um zu realisieren, dass es sich bei der Vereinfachung und Visualisierung von Technologien lediglich um eine Konsequenz der Zeit handelt. Nehmen wir den Technologiekonzern Apple als Beispiel, der auf einer Messe in den 1970er-Jahren den 8-Bit-Mikrocomputer namens Apple II vorstellte. Dieser kam mit integrierter BASIC-Programmiersprache, Farbgrafiken und einem 4100-Zeichen-Speicher ausgestattet auf den Markt und kostete damals bereits stolze 1298 US-Dollar. Zum Ende der Messe hatten die beiden Apple-Gründer Steve Wozniak und Steve Jobs ganze 300 Kaufverträge abgeschlossen. Ein für damalige Verhältnisse gutes Geschäft, weswegen andere Firmen wie IBM oder Tandy Radio Shack nachzogen und ebenfalls mit der Herstellung von ähnlichen Heimcomputern begannen. All diese Geräte hatten eine Gemeinsamkeit: Ihnen fehlte das grafische Interface und die komplette Steuerung verlief über die Kommandozeile. Die Technologie hinter dem Gehäuse konnte somit noch so genial sein; für nicht-technikversierte Menschen war die Bedienung einer solchen Maschine schlichtweg unmöglich. Wer nicht in der Lage war, eigene Programme in BASIC zu schreiben oder diese zum Laufen zu bringen und zu teilen, der konnte mit einem eigenen Computer wenig anfangen.

Erst fast eine Dekade nach der Veröffentlichung des Apple II sollte sich etwas daran ändern. Mit der Veröffentlichung des Macintosh gelang es Apple im Jahr 1984, das wahre Potenzial des Heimcomputers auszuschöpfen und eine Maschine mit grafischer Benutzeroberfläche an die Leute zu bringen. Diese war mit dem kleinen Etwas, das wir heute Maus nennen, zu bedienen. Für viele Menschen, die zuvor nur davon träumten, mal in der Lage zu sein, selbst einen Heimcomputer zu bedienen, passierte das Undenkbare. Plötzlich konnten auch sie mit der revolutionären Erfindung umgehen. Heute, weitere 40 Jahre später, da sind unsere Computer so kinderleicht zu bedienen, dass wir uns eine Zeit, in der es ohne Unmengen an Fachwissen fast unmöglich war, kaum noch vorstellen können. Zwar existiert die Kommandozeile noch immer auf unseren Computern, doch kann man sie als Nicht-EntwicklerIn zumeist getrost ignorieren.

Der Macintosh mit dem für seine Zeit revolutionären grafischen Interface.

Dieses Beispiel zeigt, dass sich der Computer in einem historischen Zeitrahmen, der einem Wimpernschlag gleichkommt, von einem Spezialwerkzeug zu etwas entwickelt hat, das fast alle Menschen mit nur einem Minimum an manueller Geschicklichkeit regelmässig einsetzen können. In so gut wie allen Bereichen der Technologie lässt sich ein solches Phänomen beobachten; die Vereinfachung scheint ein natürlicher Bogen in der Entwicklung jeder Technologie zu sein. Was mit hoch spezialisierten Toolkits und Wissensdatenbanken beginnt, wird nach und nach erweitert und dadurch einfacher und zugänglicher gestaltet.

Webentwicklung ohne eine Zeile Code

Die Programmierung stellt hier keine Ausnahme dar. Die aufkommenden Tools zielen darauf ab, typischerweise codebasierte Arbeitsabläufe zu transformieren und somit alle in die Lage zu versetzen, sie auch ohne signifikante Programmierkenntnisse zu handhaben. No-Code-Plattformen basieren zumeist auf einer visuellen, integrierten Entwicklungsumgebung, innerhalb derer Programme aus Bausteinen einfach zusammengebaut, mit Logik verknüpft und ohne grossen Aufwand verwaltet werden können. Heute ermöglichen sie es vor allem, Webapplikationen, die für die meisten Organisationen taugen, zu erstellen, ohne dass eine einzige Zeile Code geschrieben werden muss. Dies steigert die Effizienz enorm. Zum Beispiel verschmelzen die Entwicklungs- und Designarbeit miteinander, das Designteam kann seine Visionen selbst umsetzen und es wird viel Zeit gespart, die einst nötig war, um banalen Code zu schreiben.

Die Umgebung, in der spark.swiss erstellt wurde. Links findet man Komponenten, die man der Seite hinzufügen kann, rechts kann man Änderungen an deren Design vornehmen.

Ein weiterer Vorteil der No-Code-Bewegung sind die Kosten: Die enorme Effizienzsteigerung führt automatisch zu einer Abnahme der Entwicklungskosten. Ferner sind die Wartungskosten geringer, denn mit No-Code-Tools ist es auch Laien möglich, die Applikationen aktuell zu halten und zu pflegen. Braucht ein Unternehmen heute eine neue Website oder möchte die erste eigene App entwickeln, so kann es dies dank Tools wie Wix, Webflow oder Bubble selber tun und muss nicht zwangsläufig eine Agentur anheuern. Hierbei darf jedoch die Bedeutsamkeit von gutem und vor allem verständlichem, benutzerfreundlichem Design nicht vergessen werden, dessen Umsetzung Agenturen zumeist beherrschen und das trotz No-Code-Tools nicht von selbst entsteht. In die User Experience sollte, wenn einem das Kapital zur Verfügung steht, auf jeden Fall investiert werden.Verfügt man hier jedoch über ein solides Knowhow, so kann fast jeder heute gute Websites und Plattformen entwickeln, die sich im Rahmen des von No-Code-Tools technisch Möglichen bewegen.

Demokratisierung in der Gründungsszene

Dies führt zu einem weiteren grossen Vorteil der No-Code-Bewegung: Dadurch, dass die Entwicklung dank der No-Code-Plattformen einer breiteren Masse verfügbar gemacht werden, besteht grosses Veränderungspotenzial in der Gründungsszene. Über Jahre hinweg wurde die Technologiebranche für ihren Mangel an Vielfalt kritisiert. Das Silicon Valley brachte eine Gruppe von Gründern hervor, die einander stark ähnelten. Für Abwechslung schien kaum Platz und der Kreislauf der Gleichheit wiederholte sich zunehmend. Da die Hürde, die eigene Idee in Software zu verwandeln, dank der No-Code-Bewegung zunehmend geringer wird, könnte sich die Szene in Zukunft grundlegend verändern.

Mitunter gibt es aber auch Einschränkungen, die No-Code-Tools mit sich bringen. Hat man zum Beispiel vor, die nächste grosse App à la Uber auf den Markt zu bringen, so eignet sich No-Code-Software vor allem für die frühe Validierungsphase, in der man verschiedene Iterationen von Prototypen schneller umsetzen möchte. Ist das Kapital jedoch mal vorhanden und liegt ein fixer Prototyp vor, so sollte man mit einer codebasierten Anfertigung beginnen. Denn zwar steht die No-Code-Bewegung heute nicht mehr in ihren Startschuhen, doch ist sie auch noch nicht am Ziel angelangt. Vieles ist heute – vor allem im Bereich der Webentwicklung – bereits möglich, doch handelt es sich hierbei hauptsächlich noch um Grundlegendes. Die Umsetzung von spezifischeren Wünschen verlangt zumeist noch immer nach einem gewissen Mass an Programmiererfahrung. Jeden Monat bringen No-Code-Tools Neuerungen ihrer Technologien auf den Markt, die uns dem Ziel näherbringen. Hierbei handelt es sich um eine mit Spannung zu beobachtende Entwicklung!

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